Forschung statt Routine: Nelson Fritz verbindet Schule mit Wissenschaft

Angesichts des rasanten technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels schienen traditionelle Bildungssysteme, die die Bewertung der Lernleistungen durch Prüfungen und Schulnoten in den Vordergrund stellten, unzureichend zu sein. Weltweit gibt es einen wachsenden Konsens unter Pädagog*innen und politischen Entscheidungsträger*innen, dass die Schüler*innen ein breiteres Spektrum an Fähigkeiten benötigten, die nicht nur akademisches Fachwissen, sondern auch Eigenschaften wie Kreativität, Anpassungsfähigkeit und Zusammenarbeit umfassen, um sich in dieser neuen Landschaft erfolgreich zurechtzufinden. Die Heinrich-Wieland-Schule teilt diese breitere Sichtweise und zielt darauf ab, Lehr- und Lernprozesse an die vielfältigen Anforderungen der modernen Welt anzupassen. In dieser Hinsicht, abgesehen von standardisierter Bildung, bietet die HWS auch hochwertige Lernerfahrungen, die zum Aufbau der Fähigkeiten und Kompetenzen beitragen, die für den Erfolg in der heutigen schnelllebigen und globalisierten Welt unerlässlich sind.

Über verschiedene Ansätze, Herausforderungen und Erfolgsgeschichten zur Entwicklung solcher Kompetenzen spricht Nelson Fritz, einer der diesjährigen erfolgreichsten Abiturienten, in einem Interview mit Frau Dr. Wong, seiner Mathematiklehrerin und Jugend-forscht-Betreuerin.


Nelson Fritz, TG-Abiturient mit IT-Profil, Preisträger in zwei Landeswettbewerben von Jugend forscht

Eines der grundlegendsten Merkmale von Jugend forscht-Projekten ist, dass sich die Schüler mit einer authentischen, sinnvollen Herausforderung konfrontieren. Bei der Entwicklung solcher Projekte werden Innovation und Kreativität eingesetzt, denn es gibt keine eindeutige Antwort auf eine treibende Frage, keine offensichtliche Lösung für ein Problem und kein Rezept für die Entwicklung eines qualitativ hochwertigen Produkts.

Frau Wong: Mit deinem Projekt „Neue Messtechnik und Simulation der Wasserinfiltration in Böden“ hast du den 2. Preis im Landeswettbewerb Baden-Württemberg 2025 erhalten. Welche Themen hast du zusammen mit deinem Team erforscht und welche neuen Erkenntnisse und Vorgehensweisen sind daraus hervorgegangen?

Nelson: „Das zentrale Projektziel besteht darin, präzise Mess- und Simulationsmethoden für die Bewegung des Wassers in Böden zu entwickeln. Unsere Forschung liefert einen bedeutenden Beitrag zur Erfassung und Modellierung der Wasserinfiltration in Böden, indem sie innovative Messtechnik mit numerischer Simulation verbindet. Im Rahmen des Projektes habe ich ein Gerät zur automatisierten Messung und Kalibrierung des Wasserdurchlässigkeitsbeiwertes in Böden entwickelt. Dieses besteht aus einem runden Touch Display und einem Raspberry Pi 4B Microprocessor mit einem selbstentwickelten Betriebssystem. Über einen WLAN Access Point können sich beliebig viele andere Computer verbinden. Diese können dazu noch die Messdaten analysieren. Darüber hinaus habe ich ein Software-Werkzeug zur Modellierung und Simulation von Wasserinfiltration in ungesättigten und gesättigten Böden in Python-Programmiersprache entwickelt. Diese ermöglicht die numerische Lösung der Richards-Gleichung, das Einfügen von Funktionen zu verschiedenen Grenzbedingungen, Anfangsbedingungen mittels Bilder und Funktionen, Dynamische Pedotransferfunktionsparameter zur Modellierung heterogener Böden und Visualisierung der Wasserinfiltration in 1D Funktionsgraphen, 2D Heatmap und 3D Scatter Plot.“


Frau Wong: Eine der 21st-century-skills ist das kritische Denken. Dabei werden Daten und Ansätze systematisch untersucht, Zusammenhänge von verschiedenen Perspektiven analysiert und Schlussfolgerungen bewiesen. Im Landeswettbewerb Baden-Württemberg 2024 hast du zusammen mit Aaron König mit dem Projekt „Higgs-Suche in CERN-Open Data“ den Sonderpreis Forschungspraktikum des KIT Zentrums Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik, Institut für Experimentelle Teilchenphysik (ETP) gewonnen. Welche Aspekte des kritischen Denkens sind bei diesem Projekt relevant und welche innovativen Lösungen hast du zum Thema dieses Projektes gefunden?

Nelson: „Im Wettbewerb von Jugend forscht 2024 habe ich eine Software-Pipeline zur Suche des Higgs-Bosons in CERN-Open Datensätze entwickelt. Dabei durchgehen die verfügbaren CMS-Detektor-Datensätzen mehrere Softwares zur Transformation, Filterung und Visualisierung der Messdaten aus dem CERN. Die Suche erfolgt indem Kombinationen auf charakteristische Eigenschaften des Higgs-Bosons, wie die invariante Masse, Energie und Isolation der Zerfallsprodukte in Echtzeit gefiltert werden. Für die Datenanalyse wurden Python-Werkzeuge wie Uproot, Pandas, NumPy sowie Matplotlib eingesetzt. Schlussfolgerungen wurden durch stochastische Untersuchungen getroffen, denn meine Software konnte mit einer statistischen Analyse den H->ZZ*->4l Zerfallskanal des Higgs-Bosons erfolgreich nachweisen.“

Frau Wong: Die Arbeit an Jugend forscht-Projekten fordert u. a. systemisches Denken, weil Inhalte aus verschiedenen Fächern an ein Problem herangehen. Darüber hinaus sind akademische Erkenntnisse und Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen in Kombination mit Informations- und Datenkompetenzen wichtig. Wie haben deine Kenntnisse und Erfahrungen im Programmieren zur Entwicklung von Projekten beigetragen und welches neue Wissen hast du dadurch erworben?

Nelson: „Meine wissenschaftliche Arbeit wurde sehr oft mit dem Programmieren unterstützt. Es diente zur automatisierten Eingabe, Verarbeitung, Übertragung und Ausgabe von Daten mit der Python-Programmiersprache. Die Benutzeroberflächen wurden mit React.js und Typescript realisiert. Diese sind moderne Technologien von Facebook und Microsoft für Applikationen im Web. Auch habe ich viel über Betriebssysteme gelernt, da ich diesen in allen Softwares in irgendeiner Form selbst programmiert habe. Meine akademischen Erkenntnisse haben sich durch die Entwicklung der Simulation zur Wasserinfiltration stark vertieft, denn ich habe einen Einblick in die Software Entwicklung und Numerische Mathematik mit industriellen und wissenschaftlichen Anwendungen bekommen. Darüber hinaus habe ich neues Wissen in Geophysik, in theoretischer und experimenteller Teilchenphysik, in numerischer Mathematik sowie in Statistik zu Entscheidungsprozessen erworben.“

| Marinela Wong